Der Staat schafft sich den gläsernen Bürger!
Am 1. Juli 2007 wird die sog. Steueridentifikationsverordnung – StIdV – BGBl. I. S. 2726 in Kraft treten. Die Identifikationsnummer soll primär die bisherige Steuernummer ersetzen. Der Gesetzgeber verspricht sich von der Erfassung aller Bürger eine effizientere Verwaltung der steuerpflichtigen Vorgänge und eine umfassende Handhabe gegen Steuerhinterziehung. Über diese Neuerung berichteten wir bereits anläßlich des Inkrafttretens des neuen Telemediengesetzes (vgl. hier).
Die neue Identifikationsnummer wird von dem Bundeszentralamt für Steuern mit Hauptsitz in Bonn vergeben. Sie besteht aus 11 Ziffern, die letzte Ziffer ist eine Prüfziffer. Ein Tätigwerden von Seiten des Bürgers ist nicht notwendig, die örtlichen Meldebehörden sind zu einer Datenübermittlung verpflichtet.
Damit werden erstmals die Daten der dezentral organisierten Meldebehörden verknüpft und für die Steuerbehörden nutzbar gemacht.
Zu den übermittelten Daten gehören der vollständige Name, Doktorgrad, Ordens- und Künstlername, Tag und Ort der Geburt, das Geschlecht und die gegenwärtige Wohnanschrift. Die neue Identifikationsnummer soll nach der Verordnungsbegründung für sich allein keine Rückschlüsse auf die Personendaten des einzelnen Bürgers möglich machen. Anders ist dies beispielsweise bei der Sozialversicherungsnummer, die das Geburtsdatum und den Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens enthält.
Eine sichere elektronische Übermittlung der sensiblen Daten zwischen den Behörden ist nach Ansicht des Gesetzgebers gegeben.
Die bei dem Bundeszentralamt für Steuern zusammengeführten Daten werden auf eventuelle Unstimmigkeiten überprüft. Unstimmige Daten werden zur näheren Aufklärung wieder an die übermittelnde Meldebehörde zur abschließenden Verifikation übermittelt. Erst nach Zusammenstellung eines eindeutig zuordnenbaren Datensatzes wird dann der Bürger über seine Identifikationsnummer und die im Zusammenhang mit seiner Person gespeicherten Daten unterrichtet.
Die gespeicherten Daten werden von den Behörden ständig aktualisiert und können bis zu zwanzig Jahre über den Tod des Bürgers hinaus gespeichert und für steuerliche Verfahren verwendet werden. Der zeitliche Ablauf der Identifikationsnummerzuordnung kann derzeit nicht abgesehen werden. Bei über 80 Millionen meldepflichtigen Einwohnern der Bundesrepublik und einer Beteiligung von ca. 5.000 Meldebehörden bestehen darüber hinaus zumindest Bedenken an ausreichenden technischen und administrativen Ressourcen, die u.a. die Anforderungen des Datenschutzes bei der Bearbeitung vollumfänglich gewährleisten können. Diese persönliche Einschätzung der Verfasserin wird auch durch den Umstand gestützt, dass die Anzahl möglicher Doppelmeldungen oder sog. Karteileichen derzeit noch völlig unbekannt ist, der Aufwand somit noch nicht absehbar ist.
Auch fünf Wochen vor dem vermutlich größten elektronischen Datentransport in Deutschland sind auf den Internetseiten des Bundeszentralamtes für Steuern und des Bundesfinanzministeriums noch keine weiterführenden Informationen über die Zuteilung der Identifikationsnummer zu finden.
Angesichts dieser umfassenden Datenübermittlung kommen Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der neuen gesetzlichen Regelung auf. Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Bürgers wurde im Gesetzgebungsverfahren zwar thematisiert, diese Anregungen und auch datenschutzrechtliche Einwände wurden aber -soweit ersichtlich- nicht umgesetzt. Eine gesellschaftliche Debatte fehlt.
Die eindeutige Identifizierung eines jeden Bürgers anhand seiner Identifikationsnummer kann auch bei der Verfolgung unberechtigter Inanspruchnahmen staatlicher Leistungen den Behörden von Nutzen sein. Die verordnete Datenerfassung wird darüber hinaus auch die Begehrlichkeiten anderer Behörden nach noch umfassenderer Datenerhebung und Datenabgleich mit anderen staatlichen Stellen wecken.
Die gesetzgeberische Tendenz, im Kampf gegen Kriminalität und Missbrauch staatlicher Leistungen sukzessive die Grundrechte der Bürger zu beschränken, ist überaus besorgniserregend. Es wird wieder dem Judiz des Bundesverfassungsgerichts obliegen, den Grundrechten der Bürger Geltung zu verschaffen und den Tendenzen eines sich ausbreitenden Überwachungsstaates Einhalt zu gebieten.
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Gläsern – bis über den Tod hinaus…
Am 1. Juli 2007 wird die sog. Steueridentifikationsverordnung in Kraft treten. Die Identifikationsnummer soll primär die bisherige Steuernummer ersetzen. Die gespeicherten Daten werden von den Behörden ständig aktualisiert und können bis zu zwanzig…
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