Stille Nacht zum Jahreswechsel – Risiko Umsatzsteuererhöhung zum 1.1.2007
Wie werden Sie die letzten Tage des Jahres verbringen? Machen Sie Ihren Online-Shop dicht und fahren in den Urlaub? Oder wollen Sie kein Geschäft sausen lassen?
Ich habe gelesen, es sei ratsam, den Shop in den letzten Tagen des Jahres zu schließen, weil sonst Abmahnrisiken bestünden. Dabei geht es um die zum 1. Januar 2007 anstehende Mehrwertsteuererhöhung auf 19 % und die Frage, welche Auswirkungen die Änderung des Steuersatzes auf den Onlinehandel hat.
Um es gleich zu sagen: ich halte es für eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme, den Shop zu schließen.
Richtig ist zwar, daß mit Beginn des neuen Jahres, also am 1. Januar 2007 ab 0.00 Uhr, der neue Umsatzsteuersatz vom Händler zu berücksichtigen ist. Daraus folgt, daß der Steuersatz im Verlauf des Bestellvorgangs richtig angezeigt werden muß. Das scheint mir jedoch vor allem eine technische Herausforderung zu sein. Überprüft werden sollte vor dem Jahreswechsel auch, ob die Preisangaben an anderer Stelle im Shop oder in der Werbung (z.B. über Google-AdWords; Bannerwerbung, etc.) betroffen sind. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an.
Weiter wird als Begründung für ein Abmahnrisiko angeführt, daß die Höhe der Mehrwertsteuer – 16 oder 19 % – sich danach richte, wann die Lieferung erfolge und deshalb in vielen Fällen der falsche Umsatzsteuersatz im Bestellvorgang oder auf der Shopseite ausgewiesen werde.
Hier könnte ein Zusammenspiel aus einem richtig formulierten Hinweis, etwa innerhalb des Bestellvorgangs oder der Bestätigungsemail unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Lieferung Abhilfe schaffen – so die Oberfinanzdirektion Köln auf telefonische Anfrage.
Lieferzeitpunkt im Online-Handel ist übrigens bei Verträgen mit Verbrauchern der Zeitpunkt, zu dem der Käufer den unmittelbaren Besitz an der gekauften Ware erhält.
Auf diesen Zeitpunkt stellt auch das Umsatzsteuerrecht in Abschnitt 177 Abs. 2 der Umsatzsteuerrichtlinien ab, um den maßgeblichen Zeitpunkt für den Steueranfall zu ermitteln.
Nicht entscheidend ist also der Zeitpunkt des Vertragschlusses oder der Zahlung. Dies gilt selbst bei Ratenzahlungsvereinbarungen oder Anzahlungen.
Kniffelig ist die Frage, ob 16 oder 19 % MwSt. anfallen, wenn im Rahmen der Gewährleistung eine in 2006 gelieferte Ware nach Neujahr gegen eine neue ausgetauscht wird. Zu klären ist, ob es auf die bloße Lieferung ankommt – dann gelten 16 %. Oder muß eine vertragsgemäße Lieferung vorliegen – also die Lieferung einer mangelfreien Sache? Dann würde 19 % gelten.
Meiner Meinung nach kann es nicht darauf ankommen, ob eine mangelfreie Sache geliefert wurde. Denn sonst wäre zur Ermittlung der Steuerschuld zunächst zivilrechtlich zu klären, ob eine mangelfreie Sache geliefert wurde. Mängel können sich aber noch Jahre nach der ursprünglichen Lieferung zeigen. Und es liegt in der Hand des Käufers, ob er den Mangel gegenüber dem Händler geltend macht. Ohne Inanspruchnahme des Händlers weiß dieser nichts von dem Mangel. Der Steuersatz würde sich nach der Entscheidung des Käufers richten, ob er einen Mangel geltend macht. Weitergedacht bedeutet dies, daß der Kunde, der einen Mangel nicht geltend macht, dann für eine Steuerhinterziehung verantwortlich wäre – das geht dann doch zu weit.
Anders zu behandeln ist der Fall, daß ein Kunde eine Sache umtauscht. Hier geht das Bundesfinanzministerium davon aus, daß der ursprüngliche Vertrag nach Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen aufgelöst wird. Erhält der Kunde sodann eine andere Ware, läge ein neuer Vertrag vor. Das bedeutet: wer die zu Weihnachten geschenkte braune HiFi-Anlage gegen das silberne Modell umtauschen will, muß wegen des ab Januar geltenden Umsatzsteuersatzes von 19 % die Differenz von 3 % nachzahlen. Die Verbraucherzentrale Hamburg meint, der Kunde dürfe davon ausgehen, daß der Umtausch kostenlos erfolgen werde, wenn der Händler nicht schon beim Kauf auf den höheren Steuersatz im Falle eines Umtausches hingewiesen habe. Ich halte diese Einschätzung für unzutreffend, denn ein Umtausch ist immer nur durch Kulanz des Händlers möglich. Der Kunde hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Umtausch. Warum sollte er dann auf einen kostenlosen Umtausch vertrauen dürfen?
Wer trägt in den sonstigen Fällen die Mehrkosten? Hat der Händler einen Anspruch auf Übernahme der Mehrkosten infolge des ab dem 1.1.2007 erhöhten Steuersatzes gegen seine Kunden?
Diese Frage ist für Verträge relevant, die vor dem 1.1.2007 geschlossen worden sind und für die jedenfalls in Teilen erst in 2007 geliefert wird.
Die Antwort hängt von der vertraglichen Gestaltung ab. Insbesondere könnte der Vertrag Preisanpassungsklauseln vorsehen. Für den Fall, dass der Vertrag nach dem 1.9.2006 geschlossen worden ist, ist jedoch eine formularmäßige Preisanpassungsklausel unzulässig, so dass nur noch eine individualvertragliche Lösung weiterhilft.
Dies gilt auch für Teillieferungen. Teilleistungen können übrigens nicht nur bei der schrittweisen Lieferung einer Warenbestellung vorliegen, sondern auch bei Abonnement-Verträgen oder Dauerleistungen (Softwareverträge, Mobilfunkverträge, Miete, Leasing, etc.).
Wenn Händler in 2006 oder früher Gutscheine ausgegeben haben, die erst 2007 eingelöst werden, muß differenziert werden:
Handelt es sich um einen Wertgutschein (= der Kunde hat die freie Auswahl im gesamtenSortiment), so beträgt die enthaltene Mehrwertsteuer 19 %. Sie können den Einkauf ganz normal abrechnen. Wenn der Gutschein nicht „auf den Punkt“ ausgenutzt wird, verbleibt dem Kunden je nach Wert des Einkaufs ein „Restgutschein“ oder er zahlt den überschießenden und in Rechnung gestellten Betrag.
Handelt es sich dagegen um einen „Geschenkgutschein“ für eine konkrete Ware, z.B. eine bestimmte Kaffeemaschine, dann liegt eine verbindliche Preiszusage vor und Sie müssen den Gutschein einlösen, ohne daß der Kunde mit der Differenz zu dem neuen Mehrwertsteuersatz belastet werden darf.
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[…] In dem an Verbraucher gerichteten Onlinehandel musste eine Lösung für die Fälle gefunden werden, in denen der Vertrag 2006 geschlossen wurde, die Auslieferung und damit der steuerlich relevante Zeitpunkt jedoch in 2007 liegt. Wie konnte dies im Bestellvorgang abgebildet werden?Wer diese Frage nicht im Vorfeld geklärt hat, wird sich vermutlich kulant zeigen und die Differenz zwischen 16 und 19 % Umsatzsteuer nicht beim Kunden nachfordern, sondern selbst tragen. Einige Hersteller sollen dies angeblich mit Rabattaktionen für den Vertrieb unterstützen. […]
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