Abmahnvereine – wann wird´s unseriös?
Im Herbst 2006 rückte der Verein „Ehrlich währt am längsten“ in den Blickpunkt der Öffentlichkeit (heise-ticker vom 26.10.2006). Der Verein mahnte in über 5.000 Fällen gewerbliche eBay-Händler ab (heise-ticker vom 20.03.2007). Der Vorwurf: die Widerrufsbelehrung sei falsch gestaltet oder es würden Allgemeine Geschäftsbedingungen fehlen.
Schnell kamen Zweifel an der Berechtigung des Vereins auf, Abmahnungen ausprechen zu dürfen (Übersicht der Ereignisse unter www.wahrheit-waehrt-am-laengsten.de). Diese Woche hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg nun Anklage gegen den Vereinsvorsitzenden, Peter W., vor dem Landgericht Oldenburg erhoben (Meldung unter wortfilter.de vom 19.03.2007).
Wie ist es soweit gekommen?
Ebenso wie Mitbewerber dürfen auch Vereine Unternehmen und gewerbliche Händler abmahnen. Voraussetzung (siehe auch Internethandel vom 14.11.2006): der Verein ist entweder als sogenannte qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG in eine Liste beim Bundesjustizministerium (Download Liste – PDF; Anmerkung: bis 01.01.2007 wurde die Liste beim Bundesverwaltungsamt geführt) eingetragen oder er vertritt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder, die auf dem gleichen Markt wie der angebliche Rechtsverletzer vergleichbare Waren und/oder Dienstleistungen vertreiben, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Variante 2 setzt weiter voraus, daß in dem Verein eine erhebliche Anzahl von Mitbewerbern oganisiert ist.
„Ehrlich währt am längsten“ war jedoch weder als qualifizierte Einrichtung beim Bundesjustizministerium eingetragen noch konnte auf eine hinreichend große Mitgliederzahl verwiesen werden. Denn nach eigenen Angaben des Vereins gab es nur 26 Mitglieder, so der Heise-Verlag (heise-ticker vom 26.10.2006). Im Verhältnis zu den bei eBay registrierten gewerblichen Händlern eine verschwindet geringe Zahl.
Demzufolge war der Verein „Ehrlich währt am längsten“ nicht berechtigt, Abmahnungen wegen Verstoß gegen das Wettbewersbrecht aufgrund angeblich falscher Widerrufsbelehrungen oder fehlender AGB auszusprechen.
Dies störte den Verein aber offenbar nicht. Es wurden nach Presseinformationen über 5.000 nahezu identische Abmahnungen ausgesprochen und jeweils die Zahlung einer Kostenpauschale von 146,16 Euro gefordert. In Unkenntnis der fehlenden Abmahnberechtigung kamen mehrere hundert Abgemahnte dieser Aufforderung nach und zahlten.
Recherchen zum Umgang mit Abmahnungen bzw. die Einholung von Rat hätte sich insoweit gelohnt (Hinweise zum Umgang mit Abmahnungen erhalten Sie in unseren FAQ „Abmahnung – Link).
Andere Betroffene erstatteten Strafanzeige.
Auf Antrag des Bundesverbandes Onlinehandel erging am 14.12.2006 eine einstweilige Verfügung gegen den Verein, mit der die Abmahnmachenschaften untersagt wurden (Landgericht Oldenburg, Beschluß vom 14.12.2006, 12 O 3410/06). Am gleichen Tag wurde der Vereinsvorsitzende aufgrund des wegen der unberechtigten Abmahnungen und Kostenforderungen bestehenden Betrugsverdachts in Untersuchungshaft genommen (Übersicht der Ereignisse unter www.wahrheit-waehrt-am-laengsten.de).
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg haben ergeben, daß in 392 Fällen die geforderte Kostenpauschale gezahlt worden war (= 57.294,72 EUR). Diese Fälle werden dem Vereinsvorsitzenden Peter W. nun in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Ebenfalls angeklagt: die Tochter des Vereinsvorsitzenden, die die Schreibarbeiten für den Verein erledigt hat und über deren Konto die Gelder vereinnahmt wurden (Meldung unter wortfilter.de vom 19.03.2007). Peter W. soll sich darüber hinaus wegen strafbarer Werbung im Zusammenhang mit Kaffeefahrten in 3192 Fällen schuldig gemacht haben. Beide Strafverfahren sollen gemeinsam verhandelt werden (heise-ticker vom 20.03.2007).
All diese Fakten zeigen, welche Auswüchse das Rechtsinstitut der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung inzwischen hervorgebracht haben. Man könnte zu der Auffassung gelangen, dass dieses Verfahren abgeschafft gehört.
Nur – dies ist natürlich ein These – würde sich das zugrundeliegende Problem damit nicht beseitigen lassen. Rechtsverletzungen wird es weiterhin geben – tatsächliche und vermeintliche. Die Klärung, ob eine solche vorliegt oder nicht, würde ohne das Abmahnverfahren unmittelbar vor Gericht stattfinden, zumeist im Wege des Verfügungsverfahrens. Das verursacht definitiv höhere Kosten – für den Unterliegenden und die Justiz. Ob sich diejenigen, die das Abmahnverfahren mißbrauchen, abhalten lassen würden, darf bezweifelt werden. Denn das Verfügungsverfahren kann ähnlich mißbraucht werden. Die Rechtsverletzung muß lediglich glaubhaft gemacht werden. Beweise sind nicht erforderlich.
Es könnte daher wirkungsvoller sein, sich effektiv und nachhaltig gegen mißbräuchliche Abmahner zur Wehr zu setzen. Dies scheint sich in dem o.g. Fall für diejenigen, die sich nicht unterworfen und bezahlt haben, ausgezahlt zu haben.
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