Die EU verstärkt ihre Bemühungen im Kampf gegen Produktpiraterie
Die Europäische Union bereitet derzeit eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vor, KOM(2006)0168 – C60233/2005 – 2005/0127 (COD). Die geplante Richtlinie ergänzt die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums um europaweite einheitliche strafrechtliche Bestimmungen.
Die EU- Richtlinie enthielt umfangreiche zivil- und verwaltungsrechtlichen Neuregelungen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Rechtsverletzungen des geistigen Eigentums. Die Umsetzung in deutsches Recht erfordert eine umfangreiche Novellierung zahlreicher Gesetze.
Erst im Januar 2007 ist in Deutschland das entsprechende Durchsetzungsgesetz vom Bundeskabinett beschlossen worden.
Im Gesetzgebungsverfahren haben vor allem die Ausweitung der zivilrechtlichen Auskunftsansprüche gegenüber potentiellen Rechtsverletzern und Dritten und die Begrenzung der Kosten für anwaltliche Abmahnungen für erheblichen Diskussionsbedarf gesorgt. Im Rahmen dieses Gesetzgebungsvorhaben sind strafrechtlichen Vorschriften nur bzgl. der sog. geographischen Herkunftsangaben implementiert worden, (vgl. hier).
In dem Bemühen, den EU-Bürgern effektive gesetzliche Instrumente gegen Produktpiraterie und Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums an die Hand zu geben, soll der neue Richtlinienentwurf die Durchsetzungskraft der bestehenden zivilrechtlichen Instrumentarien durch zu ergänzende strafrechtliche Regelungen verbessern.
Die bislang bestehenden nationalen Straf-Regelungen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Strafrahmen. Eine Harmonisierung der Regelungen ist aus europäischer Sicht notwendig.
Der Richtlinien-Entwurf in der vom Europäischen Parlamentsgebilligten Fassung, TA/2007/145, sieht vor, dass jede vorsätzliche, in gewerbsmäßigem Umfang begangene Verletzung eines Rechts am geistigen Eigentum, sowie die Beihilfe und tatbezogene Anstiftung dazu, als Straftat gelten soll, vgl. Art. 3. Rechte am geistigen Eigentum im Sinne des Entwurf sind u.a. Urheber-, Marken-, Geschmachsmusterrechte und Schutzrechte der Hersteller von Datenbanken. Nicht erfasst werden Patent-, Gebrauchsmuster- oder Sortenschutzrechte.
Die Handlungen privater Nutzer für persönliche und nicht gewinnorientierte Zwecke werden ausdrücklich nicht von dem Entwurf erfasst.
Der vorgeschlagene Sanktionskatalog enthält neben Freiheits- und Geldstrafen für natürliche und juristische Personen (bei letzteren können nur Geldstrafen verhängt werden) u.a. auch die Möglichkeit der Einziehung der Tatgegenstände und -werkzeuge, die Vernichtung von Ausrüstungsgegenständen, die Schließung der Betriebsstätte, eine dauerhafte oder vorübergehende Gewerbeuntersagung, den Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Der abschreckende Charakter der Sanktionen wird in der vorgeschlagenen Ausgestaltung der Freiheits- und Geldstrafen deutlich, die bei schwerwiegenden Straftaten Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mindestens vier Jahren und Geldstrafen im Höchstmaß von mindestens 300.000 EUR vorsieht.
Der Richtlinienvorschlag durchläuft derzeit das europäische Gesetzgebungsverfahren. Der Rat, d.h. die nationalen Fachminister, werden ihn in Kürze beraten.
Bei dem Vorschlag handelt es sich um eine Richtlinie, die für die Mitgliedsstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, den Mitgliedsstaaten aber Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung belässt.
Die strafrechtlichen Sanktionen nach Verletzung der Rechte am geistigen Eigentum sind in Deutschland bereits umfassend kodifiziert.
Wird Deutschland die strafrechtliche Verfolgung der Verletzung der Rechte am geistigen Eigentum neu austarieren müssen?
Exemplarisch sollen die entsprechenden Vorschriften des aktuellen Urhebergesetzes kurz erläutert werden.
In den §§ 106ff UrhG sind bereits Straf- und Bußgeldvorschriften normiert. Die Straftatbestände beschränken sich anders als der europäische Entwurf nicht auf die Pönalisierung gewerblichen Handelns, jegliche unerlaubte Verwertung außerhalb der gesetzlich zugelassenen Fälle ist strafbar. Das deutsche Urheberrecht geht auch in anderen Aspekten über die geplanten Regelungen hinaus: so wird bereits der Versuch einer Rechtsverletzung bestraft und das Höchstmaß für gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung auf fünf Jahre festgelegt.
Auch im deutschen Recht gibt es bereits jetzt umfassende Möglichkeiten, Tat- oder Produktionsgegenstände einzuziehen oder Vermögenvorteile bei dem Verletzer abzuschöpfen.
Ungewöhnlich ist die oben erwähnte strafrechtliche Verantwortung von juristischen Personen, die das deutsche Strafrecht so nicht kennt. Nach dem deutschen Strafrecht kann Täter einer Tat nur ein Mensch sein. Juristische Personen selbst können strafrechtlich nicht belangt werden, das Verhalten ihrer Vertreter ist aber strafrechtlich überprüfbar.
Lediglich im Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es die Möglichkeit, Ordnungsgelder gegen juristische Personen zu verhängen, deren Vertreter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen haben. Wie der deutsche Gesetzgeber diesen verlangten „Systembruch“ umsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Vor diesem Hintergrund wird die geplante Richtlinie auch Änderungen im deutschen Recht nach sich ziehen, soweit die gewerbsmäßige Verwertung betroffen ist. Ob die notwendige Gesetzesänderung dann auch genutzt wird, um die Strafrechtsnormen für nicht gewerbsmäßige Verletzungen zu ändern, ist fraglich.
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