Haften Blogger für die Kommentare Dritter?
So urteilte das Landgericht Hamburg nach einem kürzlich bei JurPC veröffentlichten Urteil aus Dezember 2007 (hier). Der Blogger habe durch seinen „scharfen und polemisierenden Beitrag“ das Feld für provozierende und vor allem rechtsverletzende Kommentare bereitet und dürfe sich anschließend nicht wundern, dass er für diese gerade stehe.
Weblogbetreiber haftet als Störer für Kommentare!
Grundlage dieser im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Entscheidung war eine unstreitige Persönlichkeitsrechtsverletzung, die von einem Kommentareintrag ausging. D.h. der Weblogbetreiber hatte diesen Kommentar nicht selbst verfaßt und sich dessen Inhalt unstreitig auch nicht zu eigen gemacht. Er hafte jedoch für die von diesem Kommentar ausgehende Rechtsverletzung nach den Grundsätzen der Störerhaftung, d.h. ohne eigenes Verschulden, aber auf Unterlassung und Beseitigung.
Das ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen dann der Fall, wenn er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat. Worin diese genau bestehen, läßt sich natürlich nicht abstrakt und generell festlegen.
Vielmehr muß im jeweiligen Einzelfall der Kontext berücksichtigt werden.
Dabei spielt es vorliegend nach Auffassung der Hamburger Pressekammer eine wesentliche Rolle, dass der Blogger selbst einen Beitrag verfaßt hat, der provozierend, herabsetzend und womöglich sogar selbst rechtsverletzend gewesen sei. Dieser Artikel sei derart im Grenzbereich anzusiedeln, dass sich der Verfasser über Kommentare, die die Grenzen des Zulässigen überschreiten, nicht ernsthaft wundern könne.
Und weil der Blogbetreiber insoweit sozusagen selbst die Gefahrenlage für rechtsverletzende Kommentare hergestellt habe, träfen ihn auch nicht nur einfache Prüfungspflichten, sondern derart gesteigerte Pflichten, dass diese gleichsam zu Vorabkontrollpflichten angewachsen seien.
Dies erfordere die in solchen Fällen vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung, um der Meinungs- und Informationsfreiheit auf der einen Seite und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen auf der anderen Seite, gerecht werden zu können.
Das Gericht begründet seine Entscheidung zudem mit weiteren Argumenten:
Es sei eine Kommentarfunktion bereit gestellt worden, die auch die Verwendung von Pseudonymen und damit die Flucht der Verfasser in die Anonymität zulasse. Auch dies provoziere die Bereitschaft auf Seiten kommentierender Leser, die Grenzen des Zulässigen zu überschreiten.
Weiterhin habe der Autor anhand des Verlaufs der Diskussion im Kommentarbereich, die von Anfang an emotional und persönlichkeitsrechtlich bedenklich erfolgt sei, frühzeitig feststellen können, dass Anlaß zu verschärfter Vorabkontrolle bestanden habe.
Zumutbar wäre es daher gewesen, moderierend einzugreifen und ebenso wäre es möglich gewesen, die Kommentare schubweise, etwa nach manueller Sichtung freizugeben.
Unzumutbarkeit könne jedenfalls nicht mit dem Argument eingewendet werden. Denn wer ein öffentliches Forum eröffne, könne sich nicht der Überwachung dadurch entziehen, dass der Umfang auf ein nicht mehr kontrollierbares Maß anwachse.
Bedeutet dies das Ende der Blogosphäre?
Nein. Denn wenn man dieses Urteil genau analysiert, finden sich bereits eine ganze Anzahl besonderer Gesichtspunkte dieses entschiedenen Falls, die gerade nicht 1:1 auf die Vielzahl der Blogs übertragbar sind.
Die Qype-Abmahnung zeigte bereits, dass es im Web 2.0 Recht Grenzen gibt, die nicht einfach unter Hinweis auf Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 5 GG überschritten und durch Weblogs mißachtet werden dürfen. Die Rechte etwaig Betroffener müssen effektiv geschützt werden können.
Der Fall zeigt aber auch, dass die Diskussion über eine sachgerechte, Prüfungsaufwand und Zumutbarkeit gerecht werdender Gesichtspunkte, erst ganz am Anfang steht.
Zum anderen handelt es sich um eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren, d.h. das Gericht mußte letztlich vor allem darüber urteilen, ob zu Lasten des Verletzten eine Gefahrenlage zu unterstellen war, die eine vorläufige Unterlassungsverpflichtung rechtfertigt. Ob diese auch im Hauptsacheverfahren Bestand hat, ist damit keineswegs vorentschieden.
Kritik ist aus meiner Sicht hinsichtlich des angelegten Maßstabes zur Begründung von Prüfungspflichten anzubringen. Eine derart weit reichende Vorverlagerung von Prüfungs- und Überwachungspflichten bis hin zu einer Quasizensur allein mit einem stark kritisierenden, gar polemisierenden Beitrag zu rechtfertigen, erscheint mir nicht ausreichend. Denn das würde eine Risikoverlagerung zu Lasten der Meinungsfreiheit bedeuten, die im Ergebnis nicht gewollt sein kann.
Zudem gibt es auch eine Reihe von Entscheidungen, die die Anforderungen an die Prüfungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Störerhaftung deutlich erhöht haben, um ein Ausufern zu vermeiden (etwa in Filesharing oder Usenet Fällen).
Der BGH hat jedoch mit seinen Entscheidungen Internetversteigerung II und jugendgefährdende Medien die Diskussion selbst neuerlich in Gang gesetzt, so dass hier noch eine Anzahl divergierender instanzgerichtlicher Urteile zu erwarten sind.
Insoweit seien Inhalteanbieter gewarnt: Das Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit kann im Einzelfall zum Minirock degeneriert sein und plötzlich steht der Anbieter im eisigen Sturm. Es könnte daher sinnvoll (und kostensparend) sein, sich manchen Beitrag und Kommentar frühzeitiger und genauer anzusehen.
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