Direktmarketing – wie dürfen wir unsere Kunden erreichen?
Der Bundesgerichtshof hat sich zur Werbung mit Hilfe von E-Mail und zur Frage der Einwilligung geäußert. Nach dem deutschen Werberecht ist Kaltakquise per Telefon oder E-Mail gegenüber Verbrauchern unzulässig. Sie dürfen angesprochen werden, wenn hierzu ein Einverständnis vorliegt. Der BGH erklärt nun, dass zum Nachweis dessen der Ausdruck einer E-Mail ausreiche.
E-Mail und Einwilligung
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt Werbung per E-Mail eine Belästigung dar und ist grundsätzlich werberechtlich unzulässig. Dies gilt übrigens sowohl im Verhältnis zu Verbrauchern als auch im Verhältnis zu Unternehmern. Auch dort gilt, dass weder ein mutmaßliches noch ein hypothetisches Einverständnis ausreicht.
Erforderlich ist vielmehr die vorherige und ausdrückliche Einwilligung.
Diese Rechtslage ist nicht neu und gilt im übrigen mit vergleichbarer Strenge auch für das Telefonmarketing oder die werbliche Ansprache per Telefax. Daher stammt übrigens das Dogma, Werbung sei belästigend (aus den Urzeiten des Thermopapier-Telefaxes).
Spannend ist die Frage, wie eine Einwilligung gewonnen werden kann und, für uns Prozeßjuristen beinahe noch wichtiger, wie eine solche Einwilligung bewiesen werden kann. Denn wer hat schon einmal eine Einwilligung, die elektronisch gewonnen worden ist „gesehen“ und ist damit dann vor die Richterbank getreten. Ich durfte da unterschiedliche Erfahrungen machen.
Für das gesamte Internetrecht gilt dabei: Die technisch komplexen Vorgänge möglichst einfach gehalten zu „übersetzen“ hilft weiter, schützt aber leider nicht vor erstaunlichen Ergebnissen.
Insofern ist es natürlich erfreulich, wenn sich das oberste deutsche Zivilgericht mit diesen praktisch bedeutsamen Fragen befassen muß. Nachdem es mit der Payback-Entscheidung bereits festgestellt hatte, dass die Einholung der Einwilligung durchaus mit der Einholung anderer Erklärungen – etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – verbunden werden kann, beantwortet dies noch lange nicht die Frage, was der Unternehmer vorlegen muß, um eine Einwilligung beweisen zu können.
Die Originalunterschrift ist im Internetgeschäft natürlich die eher fernliegende Lösung. Im Zeitalter des Einkaufens und Mietens von Werbeadresslisten bzw. der Beauftragung von Direktmarketingagenturen, um eine geeignete und zielgruppenaffine Werbemaßnahme zu organisieren, werden rein digitale Wege der Generierung von Einwilligungen eingeschlagen.
So auch im entschiedenen Fall:
Die AOK stützte sich auf eine per Double-Opt-In Verfahren gewonnene Einwilligung, ohne diese jedoch näher belegen zu können. Das allerdings wäre durchaus möglich und hätte natürlich auch Gegenstand der jeweils geschlossenen Dienstleister-Verträge sein müssen. Andererseits – gerade die Direktmarketingagentur wehren sich gegen weitreichende Double-Opt-In Klauseln, obwohl dies für die Auftraggeber zwingend sein sollte.
Das Urteil des BGH bestätigt diese Anforderung ganz offenbar. Laut Pressemitteilung – die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor – formuliert er sogar,
„dass das elektronisch durchgeführte Double-Opt-In-Verfahren (…) von vornherein ungeeignet [ist], um ein Einverständnis von Verbrauchern mit Werbeanrufen zu belegen„.
So entschied er gegen die AOK, da diese die Einwilligung nicht in geeigneter Form belegen konnte. Nach Auffassung des BGH hätte eine E-Mail-Bestätigung ausgereicht. Darauf sollten also Auftraggeber spätestens seit dieser Entscheidung ihr Augenmerk vor Unterschriftsleistung unter Direktmarketingverträge lenken.
Dieser Obliegenheit sollten Unternehmen und Werbende nicht nur zur Vermeidung von Haftungsrisiken nachkommen. Es drohen aufsichtsrechtliche Verfahren durch Datenschutz- und Telemedienaufsicht, Abmahnverfahren durch Mitbewerber oder hierzu berechtigte Vereinigungen wie etwa Verbraucherschutzvereinigungen. Die Geschäftsleitung ist aus Gründen der ordnungsgemäßen Führung ihrer Unternehmen (Compliance) unmittelbar und persönlich dazu verpflichtet, §§ 43 GmbHG, 91 AktG.
Eine aktuelle Überprüfung der Leistungsverhältnisse erscheint daher ratsam.
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