Datenschutz und Sicherheitsbelange – Videoüberwachung
Ende Januar 2017 wurde im Bundeskabinett ein Gesetzentwurf zur Videoüberwachung verabschiedet. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) soll kurzfristig geändert werden, obwohl Ende Mai 2018 eine vollständige Neufassung des Datenschutzrechts in Deutschland ansteht. Das Innenministerium begründet den Entwurf mit Sicherheitsbelangen.
Neufassung der Videoüberwachung nach BDSG
Angesichts der Anschläge in München und Ansbach im Jahr 2016 erachtet das Bundeskabinett es als erforderlich, die Vorschrift zur Videoüberwachung in Deutschland, es geht um § 6b BDSG (hier über Juris/Gesetze im Internet) zu ergänzen. Jene Vorschrift regelt die „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen„.
„Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
- zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
- zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
- zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke.“
Für die Anwendung ist eine Abwägung der Betroffenenrechte vorgesehen. Die Videoüberwachung darf eingerichtet werden, wenn sie „erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“.
Die Datenschutzaufsichtsbehörden haben im Laufe der Jahre einen zunehmend strengeren Maßstab für die Überwachung auch des öffentlichen Raumes entwickelt. Die vorzunehmende Abwägung fällt daher zunehmend zu Gunsten der Betroffenen und einem restriktiven Einsatz von Videoüberwachung aus.
Private Stellen, etwa Banken und Unternehmen müssen demgegenüber besondere Sachverhalte feststellen und nötigenfalls vortragen, wenn sie Videoüberwachung einsetzen und die Zulässigkeit begründen wollen.
Solange etwa ein Kreditinstitut seinen hausinternen Kassen- oder Geldautomatenbereich per Videoüberwachung schützt, ist dies, erst recht wenn es bereits Straftaten im Hause gab, zulässig und die Abwägung geht zu Gunsten des Unternehmers aus.
Zu differenzieren ist aber etwa bei Geldautomaten, die von außen zugänglich sind, falls beispielsweise auch der öffentliche Straßenraum mit in den Aufnahmebereich der Kamera fällt.
Genau hier sieht das Innenministerium Handlungsbedarf. Es will die gesetzliche Norm um den legitimen Zweck der Strafverfolgung und öffentliche Sicherheitsbelange stärken und ausbauen, so dass im Zweifel eine Videoüberwachung zu diesen Zwecken zulässig ist und die Betroffenenrechte der zufällig mit erfassten Personen hier zurückstehen müssen.
Im Wesentlichen soll daher die Vorschrift wie folgt ergänzt werden:
„Bei der Videoüberwachung von
- öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder
- Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs,
gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personenals ein besonders wichtiges Interesse.“
Kritiker haben bereits Zweifel geäußert. Wollen wir eine solche Zunahme der optisch-visuellen Überwachung? Lassen sich tatsächlich Taten durch eine Ausweitung von Videoüberwachung – etwa auch flächendeckend in Innenstädten – verhindern? Genügt der abschreckende Gedanke, dass für die Ermittlungen jedenfalls Videoaufnahmen vorliegen, aus, oder ist nicht tatsächlich nur ein Live-Monitoring incl. der Möglichkeit, die Polizei vor Ort rufen zu können, erforderlich, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen?
Fakt ist: Mit einer Ausweitung der Videoüberwachung werden zunächst einmal keinerlei Straftaten verhindert, sondern im besten Falle Beweismittel beschafft. Es werden Daten gespeichert, die später, im Falle einer Tat, eingesehen und womöglich Hinweise auf die Täter enthalten.
Innerbetrieblich stellen sich ganz ähnlich gelagerte Frage. Der Griff in die Kasse (oder in das Materiallager), wird durch die Installation solcher Technologie nicht verhindert. Es wird jedoch möglicherweise die Tat im Nachhinein aufklärbar sein.
Andererseits werden sich die aufgenommenen Personen mehr oder minder bewußt eines Gefühls ständiger Überwachung ausgesetzt sehen.
Neues europäisches Datenschutzrecht – schon im Mai 2018
Zweifel begegnet die Gesetzesinitiative aber im Hinblick auf die ohnehin zum 25. Mai 2018 anstehende große Reform zum Datenschutzrecht durch die Europäische Datenschutzgrundverordnung. Sämtliche Rechtfertigungen für den Einsatz von Videoüberwachungssystemen müssen dann ohnehin von den privaten Stellen, also Unternehmen, die solche Anlagen betreiben, neu gefasst und gerechtfertigt werden. Dann gilt europäisches Verordnungsrecht, das dem deutschen Bundesrecht – auch einem neu gefassten BDSG – vorgehen wird.
In der Tat – der aktuelle Gesetzentwurf für ein Anpassungsgesetz zum BDSG sieht eine neue Regelung zur Videoüberwachung vor (§ 4), die der geplanten aktuellen Neufassung des § 6b BDSG sehr ähnlich ist. Jedoch stellt sich systematisch die Frage, ob eine solche Regelungslücke in der Datenschutzgrundverordnung besteht, und – bejahendenfalls -, ob jene neue Vorschrift des BDSG den Anforderungen des EU-GVO an dieser Stelle gerecht wird. Kritiker verneinen dies.
Fazit zur Videoüberwachung – 2017
Aktuell sieht das BDSG, ergänzt um die zivil- und strafrechtlichen Vorschriften zum Hausrecht sowie die Regelungen zu Verkehrssicherungspflichten, die Möglichkeit der Errichtung und des Betriebs von Videoüberwachungsanlagen vor. Sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch und gerade die Anwendungen durch die Landesdatenschutzbehörden sehen hierfür jedoch einzuhaltende, strenge Grenzen vor, sobald der öffentliche Raum Gegenstand der Erfassung wird.
Die neue Gesetzesregelung würde insoweit den Anwendungsbereich ausdehnen.
Daher würden insoweit Verarbeitungszwecke mit Bezug auf Sicherheitsbelange zu einer Ausweitungsmöglichkeit der Videoüberwachung auch auf öffentliche Räume führen.
Mit Blick auf die kommende Datenschutzgrundverordnung mag es jedoch auch ratsam erscheinen, das Konzept der Videoüberwachung insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, die Verarbeitungszwecke zu kontrollieren, nötigenfalls zu ergänzen und jedenfalls insgesamt eine Neubewertung unter Berücksichtigung von Vorfällen und dem Sicherungsinteresse einerseits, sowie den schutzwürdigen Belangen unbeteiligter Dritter andererseits vorzunehmen.
Die Datenschutzgrundverordnung fordert an dieser Stelle insgesamt eine erhöhte Dokumentation für die Rechtfertigung ein.
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